Das Ende des Schuljahres nähert sich. Viele der Lehrkräfte fangen damit an, die zu erwartenden Zeugnisnoten mit den Schülern und Schülerinnen zu besprechen. Es ist die typische Situation:Es wird eine mehr oder weniger lehrreiche Aufgabe gestellt und nach und nach werden alle vor die Tür gerufen. Langsam füllt sich der Raum mit Aufregung. Wird die Lehrerin Verständnis zeigen und vielleicht die bessere Note geben? Welcher Notendurchschnitt wird sich aus der folgenden Note ergeben?
Bis zu diesem Zeitpunkt weiß das nur die Lehrerin vor der Tür, die die alles entscheidende Zahl verrät. Immer mehr Schüler und Schülerinnen kommen durch die Tür zurück, mit ihnen füllt sich der Raum mit Freude und Begeisterung, aber auch mit Trauer und Resignation.
Nicht für jeden und jede hat sich aus der Klassenarbeit, die teilweise erst Minuten vorher ausgeteilt wurde und der mündlichen Note das gewünschte Resultat ergeben. Teilweise fließen auch einige Tränen. Und nun stellt sich für einige die Frage: ist diese eine Ziffer, diese eine Nummer auf einem eigentlich wertlosen Blatt Papier tatsächlich diese Aufregung wert? Ist es vernünftig, dass das Glück, die Belohnungen, das Taschengeld und die Bildschirmzeit einiger Schüler und Schülerinnen von dieser Zahlen abhängen? Gebe es gar nicht fairere und zufriedenstellendere Alternativen?
Gerade bei Klassenarbeiten wird schließlich nur ein winziger Bruchteil des Wissens eines Schülers oder einer Schülerin abgefragt. Und manchmal ist es eben ein Teil, der nicht so gut beherrscht wird. Sinn und Zweck von Noten im Allgemeinen ist auch recht schleierhaft. Eltern bekommen beim Elternsprechtag einen Überblick über die Leistungen ihres Kindes, Lehrkräfte sehen die Schüler und Schülerinnen ohnehin fast jeden Tag im Unterricht und mit anderen vergleichen, tun sich viele ohnehin jeden Tag. Am ehesten ist noch das Argument der Motivation einzusehen. Wofür anstrengen, wenn die Leistung am Ende ohnehin nicht mit einer guten Note belohnt wird?
An dieser Stelle könnte man viele Schüler und Schülerinnen fragen, wieso sie sich in der Schule anstrengen oder sogar warum sie überhaupt in die Schule gehen. Die wenigsten würden wahrscheinlich auf beide Fragen mit „weil es mir Spaß macht“ oder „weil ich das möchte“ antworten. (Grundschulkinder, ausgenommen) Vielleicht würde sich das aber mit einem abschaffen der Noten ändern. Viele Schüler und Schülerinnen gehen einfach wegen des enormen Notendrucks ungern in die Schule. Das kann man auch aus einer Studie mit Grundschulkindern ablesen.
Die jüngsten Kinder gehen am liebsten in die Schule. Zufall, dass die erste und zweite Klasse die einzigen Klassenstufen ohne Noten sind? Mit wachsende Alter sinkt dann die Zahl der Kinder, die sich tatsächlich auf die Schule freuen. Das könnte man jetzt darauf zurückführen, dass Schulstoff und die damit verbundenen Arbeiten immer komplizierter werden. Auch fällt auf, dass Schüler und Schülerin mit bessere Noten tendenziell eher gerne zur Schule gehen, als diese, die sich mit dem Stoff schwertun.
Es gibt auch ein Schulkonzept ohne Noten: die Montessori Schule. Diese Schulen setzen auf die ganz natürliche Neugier der Kinder, es gibt keine Noten und der Stundenplan kann zum großen Teil frei vom Kind bestimmt werden. (Es gibt auch noch weitere Unterschiede zu Regelschulen) Zugang zu solchen Schulen haben allerdings leider nicht alle Kinder, für die so etwas sinnvoll wäre da, bis jetzt, solche Schulen Schulgeld kosten. Und das, obwohl es in Deutschland ein Recht auf Bildung gibt. Sollte es nicht auch ein Recht auf Bildung mit Spaß geben und keine Pflicht jeden Tag an einen Ort gehen zu müssen, an dem man sich massiv unter Druck gesetzt und einfach unwohl fühlt? Und natürlich gibt es auch andere Gründe, warum Schüler und Schülerinnen ungern zur Schule gehen zum Beispiel weil der Lehrplan einfach zu eng und die Unterrichtsstunden zu langweilig sind. Aber auch hier kann es unabhängig von Montessori Schulen Verbesserungen geben. So könnten beispielsweise Möglichkeiten zur Mitbestimmung des Stoffes im Unterricht oder mehr Projekte für unterschiedliche Interessen eingeführt werden.
Und so kann man bestimmt nicht die Probleme aller lösen. Aber im Vergleich zur Situation jetzt wäre eine Abschaffung der Noten doch schon mal eine Verbesserung.
Carla Zeitschel