Interview mit dem stellvertretenden Chefredakteur der HAZ

(Der Spargel): Ich freue mich, Sie heute zu interviewen. Waren Sie in ihrer Schulzeit auch bei der Schülerzeitung?

(Felix Harbart): Nein, weil ich nie auf einer Schule war, die eine Schülerzeitung hatte.

Wollten Sie aber bei der Schülerzeitung arbeiten?

Wenn es eine gegeben hätte, hätte ich bestimmt mitgemacht.

Wann wollten sie Redakteur oder Journalist werden?

Ich glaube, da war ich 12 oder 13 Jahre alt. Ich habe mal ein Buch gelesen, das hieß „Die 50 vom Abendblatt“. Darin ging es um Journalismus. Es ging um einen Jungen, der als Zeitungsausträger anfängt, irgendwann seinen ersten Artikel schreibt und später Journalist wird. Das fand ich toll, das hat mich inspiriert.

Warum sind sie ausgerechnet Zeitungsredakteur geworden und nicht zum Fernsehen oder Radio gegangen?

Es war ein bisschen Zufall, und ich habe auch schon Praktika beim Radio gemacht. Am Ende hat mir Zeitung am meisten Spaß gemacht, weil ich gerne schreibe. Natürlich muss man die Texte fürs Radio auch schreiben, aber die sind deutlich kürzer und zum Hören gemacht. Das andere ist: Ich fand immer, wenn man als Zeitungsjournalist irgendwo hingeht, dann fällt man nicht so auf, dann merken die Leute manchmal gar nicht, dass man da ist. Und wenn sie es merken sollen oder dürfen, dann sind sie nicht so aufgeregt, weil man nur Zettel und Stift oder wie jetzt ein Handy dabei hat. Aber man schleppt nicht eine Kamera mit sich herum oder drei Leute, die noch das Licht tragen. Wenn ein Fernsehteam zum Interview kommt, ist die Situation nicht mehr so, wie sie vorher war: Die Leute sind dann aufgeregt und sagen nicht mehr das, was sie vorher sagen wollten. Wenn man als Zeitungsredakteur kommt, kann man sich mit den Leuten ganz normal unterhalten, erfährt vielleicht auch manchmal mehr und hat ein bisschen mehr Zeit, das aufzuschreiben. Das hat mir mehr Spaß gemacht. Aber das andere ist auch toll.

Verstehe ich. Wie wird man Journalist?

Bei Journalisten gibt es keine klaren Wege, die man unbedingt gehen muss – im Unterschied zu anderen Berufen. Man kann Journalismus studieren, man kann auch auf Journalistenschulen gehen, die meisten studieren aber ganz verschiedene Fächer. Das geht quer durch den Garten: Ich habe Nordamerika-Wissenschaften studiert, dazu Geschichte und Politik, und habe dann ein Volontariat bei der Zeitung gemacht, das ist die Ausbildung zum Redakteur. Es gibt aber bei uns auch Kollegen, die haben andere Fächer studiert, einer ist zum Beispiel ausgebildeter Musiker. Es gibt Leute, die sind Biologen, die sind Mediziner, Juristen, Germanisten. Wir haben zwei Kollegen, die haben Chinesisch studiert. Die haben alle hinterher eine Redakteursausbildung gemacht. Wir haben hier also ganz viele Leute mit verschiedenen Hintergründen, die von verschiedenen Sachen etwas verstehen. Und das ist für eine Redaktion ganz toll. Man kann also studieren, was einem Spaß macht, wofür man sich besonders interessiert und dann eine Ausbildung zum Redakteur machen – dann wird man Journalist. Beim Fernsehen, Rundfunk und beim Onlinejournalismus läuft das ähnlich.

Welche Textform nutzen Sie am liebsten?

Ich habe immer sehr gerne Reportagen geschrieben, wo man Leute begleitet, bei dem was sie tun, zugucken kann, mitgehen kann. Wenn man sieht und hört und riecht und schmeckt und man das nicht nur vom Telefon her weiß. Wenn man mehr Platz und mehr Zeit hat, Dinge genau zu erklären und zu beschreiben. Das macht total Spaß, aber das mache ich nicht mehr so oft, weil das mit meinem Job nicht mehr so viel zu tun hat. Aber das habe ich immer am liebsten gemacht.

Was sind ihre Lieblingsthemen?

Ich interessiere mich sehr für Politik, sowohl für die bei uns in der Stadt – in Laatzen, in Hannover und drumherum, in Niedersachsen, in Deutschland, in der ganzen Welt. Ich habe hier viel im Lokalen gearbeitet, da ging es um die Stadt und die Region Hannover, und habe ganz verschiedene Geschichten gemacht, die spannend waren. Das Schöne an dem Job ist, dass man dabei auf Sachen stößt und Dinge erfährt, die man vorher gar nicht wusste.

Was ist der lustigste Artikel, den Sie je geschrieben haben?

Ich habe oft Glossen geschrieben, aber die lustigste fällt mir spontan nicht ein … Es gibt einen Artikel, auf den haben mich viele angesprochen: Der war auch lustig, aber nicht nur. Es ging um einen Menschen, der wohnte in Limmer auf dem letzten Bauernhof am Stadtrand. Der war in ganz Limmer und in halb Hannover sehr bekannt, weil er ein bisschen verrückt war: Der ist immer mit seinem Fahrrad durch die Stadt gefahren, laut singend mit seinem Transistorradio. Irgendwann, das ist ungefähr 15 Jahre her, sind dem seine Kühe von seiner Weide abgehauen und – weil Limmer so nah an der Stadt liegt – durch die Stadt gelaufen: Eine Kuhherde lief mitten durch Linden die Hauptstraßen entlang, es gab einen riesigen Feuerwehreinsatz. In ganz Deutschland ist darüber berichtet worden, weil das so kurios war. Ich habe ihn einen Tag später besucht und wollte wissen, was das eigentlich für ein Typ ist. Kollegen, die schon dagewesen waren, sagten mir, geh da bloß nicht hin, der ist verrückt, mit dem kann man gar nicht richtig reden. Ich bin trotzdem hingegangen und ja, er war auch ein bisschen verrückt. Er sagte, ich rede gern mit dir, aber ich muss jetzt zur Weide und meinen Zaun reparieren. Wenn du mitkommst, dann erzähle ich dir, was du hören willst. Dann bin ich mit dem zur Weide gefahren, und wir haben zusammen diesen Zaun wieder aufgebaut. Hinterher habe ich diese Geschichte erzählt, vom dem Typen, der ein bisschen verrückt ist und den alle Welt schon vorher kannte, warum dem seine Kühe abgehauen sind und wie er darauf reagiert hat, wie ich mit ihm im Matsch stand und ihm seine Zaunpfosten festgehalten habe, während er darauf gekloppt und mir seine Geschichte erzählt hat. Das war vielleicht nicht das lustigste, aber das verrückteste, was ich hier in Hannover geschrieben habe.

Haben Sie ein paar Tipps, wie man gute Artikel schreiben kann?

Wichtig ist für einen Journalisten, dass er gut zuhören kann. Die besten Geschichten kommen dann heraus, wenn man sich mit den Leuten so unterhält, wie man sich mit ihnen auch in der Kneipe oder beim Kaffeetrinken unterhalten würde, also ganz entspannt. Wenn die nicht das Gefühl haben, sie müssten aufgeregt sein oder dass etwas Schlimmes mit ihnen passiert, sondern ganz normal mit ihnen redet und gut zuhört. Und dass er nicht so viel selbst redet – es gibt viele Journalisten, die beantworten alle Fragen immer selbst. Das ist immer schlecht: Journalisten sind dazu da, Fragen zu stellen und nicht, sie zu beantworten. Wann man gut zuhört, genau zuhört, sich genau umschaut und die Atmosphäre mitnimmt und wenn man auch Lust hat, sich mit ganz verschiedenen Leuten zu unterhalten, dann kann das nur gut werden. Das Schreiben kommt dann fast von selbst. Man kann viel kaputt machen, wenn man mit den Leuten redet und zu aufgeregt ist, nicht richtig zuhört und zu viel selbst erzählt.

Seit wann sind Sie Journalist?

Ich bin jetzt 44 Jahre alt und habe mit 19, 20 Jahren angefangen – also seit fast 25 Jahren. Während meines Studiums habe ich schon als freier Mitarbeiter für die Zeitung gearbeitet, so nennt man das, wenn man nicht fest angestellt ist, nebenher arbeitet und Geld für jeden einzelnen Artikel oder jeden einzelnen Arbeitstag bekommt. Bei der HAZ angestellt bin ich seit 2005, seit 18 Jahren. Da habe ich mein Volontariat gemacht und bin eineinhalb Jahre später Redakteur geworden.

Waren Sie schon einmal so wütend auf einen Kollegen, dass Sie ihn am liebsten feuern wollten?

(lacht) Ja, aber nicht oft. Das kann ich nach all den Jahren an zwei oder drei Fingern abzählen – und auch nicht ernsthaft.

Dankeschön für das Gespräch.

– Das Gespräch führte Emilia Riegler

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